
Um das Gotteshaus
der französisch-reformierten Gemeinde von Strasburg zu beschreiben,
möchte ich wieder Pastor Tarnogrocki zu Wort kommen lassen, er kannte das
Gebäude noch persönlich. Eine schönere Beschreibung kann man sich gar
nicht vorstellen, auch wenn die Sprache uns manchmal etwas altmodisch
vorkommt, aber schließlich wurde der Text vor 120 Jahren veröffentlicht,
hier wie im Original aus der Zeitschrift "Die Kolonie"
abgedruckt. |
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Das
gottesdienstliche Lokal der französischen Kolonie Strasburg i.U.
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"Wie
die Geschichte der hiesigen Kolonie durch eine kurze Geschichte der Stadt
eingeleitet worden, so möchte es nicht unpassend sein, der Beschreibung
des gottesdienstlichen Lokals eine Beschreibung des Hauses, in dem sich
das Lokal befindet, voraufgehen zu lassen.
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Mitten
auf dem lindenumsäumten Marktplatze des Städtleins Strasburg steht das
Rathaus. Dasselbe hat die Gestalt eines etwa 40 Schritt langen, 20 breiten
und 30 Fuß hohen Kastens. Auf dem Kasten ruht ein nach beiden Seiten,
nach Nord und Süd, ziemlich steil abfallendes Ziegeldach; dasselbe ist
etwa 15 Fuß hoch. Auf diesem Dache reitet ein Turm - dies soll ja der
Kunstausdruck bei derartigen Türmen sein - von etwa 50 Fuß Höhe, so daß
sich sein äußerstes Ende etwa 100 Fuß über dem Erdboden befindet.
Dieser Turm, oben durchbrochenes Holzwerk und in eine Holzkuppel
auslaufend, hatte noch vor wenigen Jahren ein schlechtes Aussehen, wozu
der zweifelhaft grüne Anstrich nicht wenig beitrug. Jetzt ist der Turm
auf allen Seiten mit Schiefer gepanzert, und wo das nicht anging,
schieferfarben gestrichen, so daß er zwar nicht mehr einen so lustigen,
aber desto würdigeren Anblick gewährt. |
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Eine
Uhr beherbergte der Turm schon vor der erwähnten Umwandlung. Dieselbe ließ
aber viel zu wünschen übrig. Es steht aktenmäßig fest, daß sich der
Anfang des französisch-reformierten Gottesdienstes nicht nach dieser Uhr,
sondern nach dem Geläute der Marienkirche richtete. Insonderheit beschränkte
sich diese Uhr darauf, den Strasburgern die Stunden zu künden. Bei der
Verbesserung des Turmes gedachte man auch der Uhr. Sie zeigt jetzt nach
allen vier Himmelsgegenden auf großen, von unten deutlich sichtbaren
Zifferblättern nicht nur die Stunden, sondern auch die Minuten - damit
sich Alle sputen, wie unser Stadtpoet in seinem Rathausdithyrambus singt.
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Doch
genug vom Turme! Das Rathaus besteht aus zwei Etagen, deren obere
wahrscheinlich die eigentlichen Ratslokalitäten enthalten sollte. Das
untere Stockwerk bilden 4,40 m. hohe Kreuzgewölbe. Wie die Stadt aus drei
Vierteln, dem Jüteritzer, dem Falkenberger und dem Altstädter besteht,
so hat man auch beliebt, das Rathaus in drei Teile zu teilen, welche durch
je zwei Thüren, sowohl auf der Nord- wie auf der Südseite, markiert
werden. Eine davon auf der Südseite, ist freilich in ein Fenster
verwandelt worden. Doch sind die Spuren der Umwandlung deutlich sichtbar.
Früher führten zwei Gänge quer durchs Haus, jetzt nur
einer. In der Mitte der
südlichen Frontseite des Hauses steht folgende Inschrift:
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Imperatore
Rudolpho Secundo Electore Brandenburgensi Joachimo Frederico Constilibus
Joachimo Krupersack Joh. Rebereg
Christ. Wegner Exstructa Est Haec Curia MDIC, zu deutsch: Unter dem Kaiser
Rudolf II, dem brandenburgischen Kurfürsten Joachim Friedrich, den Bürgermeistern
Joachim Krupesack, Joh. Reberg, Christ. Wegner ist dies Rathaus erbaut
worden. 1599.
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Auch
die Nordseite des Hauses wird von einer Inschrift geziert; in ihrer Art
ist dieselbe unvergleichlich schön und treffend. Sie lautet:
Wer
kann's machen überall,
Daß
es Jedermann gefall! |
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Es
bleibt noch übrig, alle Zwecke aufzuführen, denen das Rathaus dient. Es
sind ihrer nicht wenige. Im Westdrittel unten ist die Post und das
Telegraphenbüreau, oben der Stadtverordnetensaal und eine Altertümerkammer.
In letzterer werden hier in der Nähe gefundene Steinbeile, ein steinernes
Opfermesser, alte Hausgeräte, Bilder, Münzen und dergl. aufbewahrt. Im
Mitteldrittel des Hauses ist die Stadt- und die Stadt-Spar-Kasse, die
Polizeiwache und ein Arrestlokal. Im Ostdrittel oben hält der Magistrat
seine Sitzungen, und vollzieht der Bürgermeister seine standesamtlichen
und polizeilichen Funktionen. Unter diesen Räumen ist neben der Ratswaage
das gottesdienstliche Lokal heut der beiden reformierten Gemeinden
Strasburg's. |
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Nach
dein Privilegium vom 5. Januar 1691 sollte den Refugie's ein Lokal zum
Gottesdienst im Rathause eingeräumt
werden. Das geschah in der Weise, daß man zwischen den beiden östlichsten
Gewölben des Hauses die sie trennende Mauer fortnahm. Die Spuren dieser
ehemaligen Zwischenmauer sind an den Wänden noch deutlich zu erkennen.
Ein mächtiger quadratischer Pfeiler, einen ganzen Meter dick, blieb
stehen und steht heute noch, den aufmerksamen Kirchgängern ein Ärgernis,
den unachtsamen und schläfrigen eine bequeme Deckung, dem Hause eine
gewaltige Stütze. Auch die Wände des Hauses sind von kolossaler Stärke,
so daß die Fenster in tiefen Nischen stecken. Je zwei gehen nach einer
Himmelsgegend, nur die Westseite hat keine, dafür führt auf dieser Seite
die Thür auf den quer durch das Rathaus gehenden Gang. Die Fenster haben
je vier Flügel, jeder Flügel vier je einen Fuß lange und einen halben
Fuß breite Glasscheiben. Als zu Anfange dieses Jahrhunderts ein
Glasermeister sich unterfing, für Herstellung einer solchen Scheibe 2 Sgr.
6 Pf. zu beanspruchen, fand das consistoire die Rechnung zu hoch
und schickte sie zur Herabsetzung zurück."
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Dr.
Otto Tarnogrocki, Geschichte der französischen Kolonie zu
Strasburg in der Uckermark
in: Die Kolonie
(Jg.5, Juli 1881- Jg. 6, Dezember 1882)
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Herkunft der Siedler |
Fortsetzung der Beschreibung |
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